Klimawandel im Garten: So gelingt das Gärtnern trotz Wetterextremen
Wenn im Frühling die ersten Pflänzchen in den Märkten angeboten werden, wirkt das auf viele wie ein willkommener Weckruf aus dem Winterschlaf. Nach dem Grau der kalten Jahreszeit wächst die Vorfreude auf bunte Farben und üppige Blüten, vielleicht sogar auf Obst und Gemüse aus eigenem Anbau. Doch leider endet die Lust aufs Gärtnern häufig im Frust, weil sich nicht alles so entwickelt, wie man es sich vorgestellt hat. Grund dafür ist unter anderem der Klimawandel im Garten, der sich auch in Herbert Vinkens Bio-Gärtnerei bemerkbar macht. „Wir beobachten insgesamt, dass sich Extreme verschärfen. Es gibt längere Trockenphasen, längere und heftigere Regengüsse, stärkere Stürme und kältere Fröste. Viele Pflanzen sind für diese Bedingungen einfach nicht robust genug“, schildert der Bio-Gärtner die Veränderungen.
Ist das für ihn Grund zur Sorge? „Aufs Gärtnern bezogen ist der Klimawandel nicht nur eine Bedrohung. Bei uns in Europa verlängert er sogar insgesamt die Vegetationsphase; wir können uns also länger an unserem Garten und an dessen Ernteerzeugnissen erfreuen. Für mich sind die klimatischen Veränderungen vor allem aber eine Aufforderung, genauer hinzuschauen“, antwortet Vinken. Das klingt ja recht positiv – aber wie genau ist das gemeint?
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Der Klimawandel im Garten erfordert vor allem genaueres Hinschauen
„Angesichts der sich stetig verschärfenden Wetterextreme geht es nicht einfach darum, pauschal ‚robustere‘ Pflanzensorten zu kaufen. Stattdessen gilt es mehr denn je, herauszufinden, welche Pflanzen sich für die individuellen Bedingungen im eigenen Garten eignen, und diese dann gut zu versorgen“, so Vinken. Für den Gärtner, der seit Jahrzehnten ohne den Einsatz künstlicher Düngemittel und chemischer Pestizide gärtnert, ist dies nichts Neues. Er weiß schon lange: je besser die Pflanzen zum Garten und zum Gärtner passen, desto geringer sind Aufwand und Fehlerquote. Also hat sich für seinen Arbeitsalltag durch den Klimawandel gar nicht so viel verändert? „Mein grundsätzlicher Ansatz, Entscheidungen gemäß den herrschenden Bedingungen zu treffen, ist gleichgeblieben. Der Klimawandel sorgt allerdings dafür, dass sich diese Bedingungen schneller verändern. Empfehlungen, die ich heute für einen Garten gebe, können in zehn Jahren schon wieder überholt sein. Wir müssen also viel genauer beobachten und den ‚Status quo‘ im Garten häufiger neu bestimmen“, erklärt Vinken.
Die Wahl der Pflanzen ist auch beim Thema Klimawandel im Garten entscheidend
Bevor Herbert Vinken überhaupt Empfehlungen zur richtigen Pflanzenwahl abgibt, muss er seinen Kunden viele Fragen stellen. Wer steht da vor ihm, welche Interessen und Vorkenntnisse sind schon vorhanden, wieviel Zeit und Geld stehen zur Verfügung? Welche Licht-, Boden- und Wetterverhältnisse herrschen im Garten – oder gibt es nur einen Balkon? Erst wenn all dies geklärt ist, kann er guten Gewissens zum Pflanzenverkauf übergehen. Nun hat er sein Möglichstes getan, damit seine Schützlinge ein geeignetes Zuhause mit dem richtigen Maß an Pflege finden – ohne von der nächsten Hitze-, Nässe- oder Kälteperiode sofort dahingerafft zu werden.
„Bis zu 80 Prozent der Blumen- und Pflanzenkäufe erfolgen spontan statt nach Plan. Mit Nachhaltigkeit hat das wenig zu tun. Eine gewisse Fehlertoleranz ist beim Gärtnern zwar eine wichtige Grundvoraussetzung, viel zu viele Pflanzen gehen jedoch vor allem deshalb ein, weil man sich zuvor nicht darüber informiert hat, ob sie im eigenen Garten das finden, was sie brauchen. Man muss sich bewusstmachen, welchen Aufwand Wünsche oder Spontankäufe nach sich ziehen, für die man eigentlich gar nicht die richtigen Bedingungen hat. Wer dennoch auf eher unpassende Pflanzen beharrt, wird mehr Mühe haben, diese durchzubringen“, sagt Vinken.
Bio-Pflanzen haben höhere Überlebenschancen – das ist nachhaltiges Gärtnern
Nicht nur die richtige Pflanzenauswahl trägt zum Gartenerfolg bei. „Viele Pflanzen aus konventionellem Anbau werden mit synthetischem Dünger zu schnellstmöglichem Wachstum gedrängt. Bio-Pflanzen hingegen bekommen mehr Zeit, sich richtig zu entwickeln“, erklärt Vinken. Dadurch sind sie insgesamt robuster und haben auch trotz Klimawandel im Garten höhere Überlebenschancen. Idealerweise geschieht ein Teil der Aufzucht im Freiland – dann sind sie besser abgehärtet und auch weniger anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Beim Kauf sollte man sich nicht von einer üppigen Blattmasse und Blütenpracht locken lassen, sondern darauf achten, dass möglichst viele Knospen noch geschlossen sind – so hat man später im Garten oder auf dem Balkon länger Freude daran.
Klimafreundliches Gärtnern hat viele Facetten
„Wer klimafreundlich gärtnern möchte, sollte übrigens auch die Transportwege bedenken, die manche Jungpflanze hinter sich hat, bevor sie bei uns landet. Besonders Beet- und Balkonpflanzen wie Petunien, Geranien oder Fächerblume werden überwiegend aus Südamerika oder Südafrika mit dem Flugzeug nach Europa geschickt, hier bewurzelt und anschließend in metropolnahen Gewächshäusern kultiviert, damit sie spätestens dann verkaufsfertig sind, sobald bei uns die letzten Fröste vorbei sind“, erklärt Vinken. Viele dieser Beet- & Balkonblumen sind vor allem wegen ihrer strahlenden Farbenpracht und ausdauernden Blütenfülle beliebt, brauchen jedoch auch gute Pflege, müssen ausreichend gedüngt und gewässert sowie regelmäßig ausgeputzt werden. Sie sind vor allem optische Highlights – für unsere heimische Insektenwelt bieten sie hingegen eher wenig. „Ich finde, es ist wie mit Vitaminen und Vollkorn versus Eis und Schokolade: Wie bei der Ernährung sollte die Grundlage beim Bio-Gärtnern langlebige, gesunde, möglichst regionale Produkte sein. Und ab und zu gibt’s was Buntes, Süßes“, ergänzt Vinken.
Was tun bei zu viel Hitze und anhaltender Trockenheit?
Im Sommer macht sich der Klimawandel im Garten zunehmend durch höhere Temperaturen über längere Zeiträume hinweg bemerkbar. Bleiben dann auch noch die Niederschläge aus, leiden viele Pflanzen unter sogenanntem Trockenstress. Starkwachsende Sommerblumen brauchen dann mehr Aufmerksamkeit als zum Beispiel anpassungsfähige Wildstauden und vor allem bei Topfpflanzen kommen wir um regelmäßiges Gießen nicht drum rum. Am besten ist es, in den frühen Morgenstunden zu gießen, dann steht das Wasser den Pflanzen während der Mittagshitze zur Verfügung. Idealerweise sollten Sie zum Gießen gesammeltes Regenwasser verwenden. Das geht in der klassischen Regentonne, noch besser eignen sich jedoch Wasserreservoirs, die in den Boden eingelassen werden. „Eine weitere Möglichkeit ist, mehr Gehölze zu pflanzen und damit im Garten mehrere Etagen zu schaffen. Laubfall liefert Humus, Bäume und Sträucher bieten Windschutz und spenden kühlenden Schatten“, empfiehlt Vinken.
Doch Vorsicht: Nadelbäume können den umgebenden Boden stark versauern und nicht alle Pflanzen mögen es schattig. Wer zum Beispiel Rosen, Margeriten und Sonnenblumen in den Schatten pflanzt, wird vergeblich auf ihre schöne Blütenpracht warten. Wie können wir also auch diese Sonnenanbeter durch immer heißere, trockene Sommer bringen?
So erhalten Sie einen humusreichen Boden, der Feuchtigkeit speichert
Grundsätzlich gilt: ein humoser Boden ist besser in der Lage, Feuchtigkeit in Zeiten mit hohen Niederschlägen aufzunehmen und diese für Trockenphasen zu speichern – auch wenn der Klimawandel im Garten angekommen ist. Stark verdichtete oder gar versiegelte Böden können dies nicht. Daher rät Vinken angesichts des Klimawandels, vermehrt Flächen zu entsiegeln und Böden zu begrünen und zu beleben. Auch das Aufbringen von Mulch, zum Beispiel aus Holz, Rinde oder Muscheln, ist eine gute Möglichkeit, Austrocknung vorzubeugen, ohne den Garten zu verschatten. Zugleich werden dadurch unerwünschte Beikräuter unterdrückt. Auch flaches Hacken hilft, Feuchtigkeit im Boden zu halten, denn dabei entsteht sogenannter Staubmulch. Kräftigeres Aufhacken, um die aerob arbeitenden Mikroorganismen mit Sauerstoff zu versorgen, sollte hingegen nur sehr oberflächlich stattfinden.
„Wer zu viel, zu häufig und zu tief hackt, trocknet seinen Boden zusätzlich aus“, warnt der Bio-Gärtner. Ein humusreicher Boden speichert übrigens nicht nur Feuchtigkeit, sondern auch das Klimagas CO2. Idealerweise werden zum Humusaufbau Küchen- und Gartenabfälle kompostiert, wodurch ein kleiner lokaler Stoffkreislauf entsteht. Wer zusätzlich Erde zukaufen muss, sollte unbedingt genau aufs Etikett schauen. „Torf wird in großem Stil in Mooren abgebaut und Blumen- und Gartenerde beigemischt. Moore sind jedoch – solange sie intakt sind – riesige Kohlenstoffspeicher. Durch ihre Zerstörung werden große Mengen an CO2 freigesetzt, was den Klimawandel zusätzlich vorantreibt“, erklärt Vinken. Daher beim Kauf von Erde auf den Hinweis „torffrei“ oder zumindest „torfreduziert“ achten.
Beschleunigen Stein- und Kiesgärten den Klimawandel im Garten?
Wem nun das Thema Boden zu komplex ist und wer wenig Zeit für den Garten hat – eignet sich für denjenigen nicht einfach ein trendiger Stein- oder Kiesgarten? Damit wird der Boden schließlich auch bedeckt. „Da gilt es erst mal zu klären, was denn ein Stein- bzw. ein Kiesgarten wirklich ist. Eine Schüttung von Steinen auf ein Stück Kunststoffgewebe jedenfalls nicht – das ist die Verweigerung von Garten!“, empört sich Vinken. Der Trend zu diesem vermeintlich pflegeleichten Vorgarten-Areal wird zu Recht von Umweltschützern stark kritisiert. Einerseits, weil Vögel und Insekten hier weder Lebensräume noch Nahrung finden; andererseits, weil hierdurch Pflanzen unterdrückt werden, die sonst durch Fotosynthese CO2 fixieren und damit dem Klimawandel entgegenwirken würden.
„Es gibt bemerkenswerte Pflanzen wie die Königskerze, die ganz tiefe Wurzeln schlagen und daher nicht viel Bodennässe brauchen. Sie haben sich vor allem im mittleren Bergland als echte Überlebenskünstler angesiedelt und wachsen hier bevorzugt auf steinigem, sehr kargem Terrain. Findet man diese Gegebenheiten bei sich zu Hause vor, bietet sich ein Kiesgarten im ursprünglichen Sinne natürlich an. Der heutige Schotterflächentrend hat hiermit jedoch wenig zu tun. Da werden aus Bequemlichkeit und Ordnungswahn ganze Wohngebiete versiegelt, wobei das hierfür verwendete Material im schlimmsten Fall zuvor auch noch sehr weite Transportwege zurückgelegt hat. Und dann wird die Natur einfach ausgesperrt. Für unser Klima und die Artenvielfalt hat dies fatale Folgen“, warnt Herbert Vinken.
Klimafreundlich Gärtnern heißt, der Natur mehr Raum geben
In über vier Milliarden Jahren hat sich die Natur auf der Erde an erstaunliche Veränderungen angepasst – denken wir zum Beispiel an die Eiszeiten. Auch an den rasant voranschreitenden Klimawandel kann sie sich voraussichtlich anpassen – wenn wir sie nur lassen. Statt sie unter Steinen, Folien, Asphalt und Beton zu ersticken, sollten wir daher wieder mehr nach ihrem Vorbild gärtnern und auch immer ein gewisses Maß an Wildwuchs zulassen. „Bio-Gärten können Räume schaffen, in denen natürliche Ausgleichsprozesse stattfinden, die auch gut fürs Klima sind“, so Herbert Vinken.
Seine Bio-Gärtnerei umfasst drei Hektar Land, von denen er etwa ein Drittel absichtlich vernachlässigt. Hier hat seine Frau lediglich Streuobstbäume und Hecken gepflanzt, hin und wieder werden Blumenmischungen eingesät, ansonsten wird die Natur sich selbst überlassen. „Auch für die Artenvielfalt ist dies ein Segen. Auf unserem Gelände finden sich, kultiviert und wild, über 1000 verschiedene Arten und Sorten; wir haben hunderte Insekten — und unser Azubi hat etwa 65 verschiedene Vogelarten gezählt“, schwärmt Vinken. „Wir haben unseren Garten an vielen Stellen nicht im Griff. Aber wir haben ihn im Blick.“
Hier führt also Vernachlässigung zu Vielfalt, ähnlich wie Langeweile oft zu Kreativität führt. Und dabei ist es auch lehrreich, zu beobachten, wie sich die Pflanzen entwickeln, wenn man die Natur einfach machen lässt. Daraus kann man nützliche Hinweise für Nutz- und Ziergärten ableiten – vor allem was ihre Robustheit in Zeiten des Klimawandels im Garten angeht.