Wundermittel aus dem Backregal? Wie Sie Natron richtig anwenden
Schon seit Ur-Großmutters Zeiten werden Natron wahre Wunderkräfte nachgesagt: Es soll den Teig lockermachen, das Bad zum Glänzen bringen und zudem noch gesund sein. Aber was ist dran an all diesen Zuschreibungen? Zeit, dem vermeintlichen Wundermittel auf die Spur zu gehen.
Inhalt
Natron und Soda – Was ist was?
Fleißige Bäcker kennen Natron oder genauer Natriumhydrogencarbonat als Triebmittel für Teige. Es setzt CO2 frei, das den Teig schön luftig werden lässt. Natron ist auch bekannt unter den Bezeichnungen „Speisesoda“, „Backsoda“, „Backnatron“ oder „Speisenatron“. Diese Namensgebung führt oftmals zur Verwechslung mit Soda. Die chemische Benennung von Soda lautet Natriumcarbonat, hier fehlt das „hydrogen“, also der Wasserstoff.
Natriumhydrogencarbonat = Natron (Speisesoda, Backsoda etc.)
Natriumcarbonat = Soda (Waschsoda)
Erhitzt man Natron über 50 Grad, so spaltet sich der Wasserstoff ab und man erhält Soda. Beide Substanzen sind als weiße Pulver im Handel erhältlich – doch während sich das eine meistens in kleinen Tütchen in der Backabteilung versteckt, ist Soda in größeren Gebinden zwischen diversen Putzmitteln zu finden. Im Gegensatz zu Natron hat Soda, das auch als „Reines Soda“ oder „Waschsoda“ bekannt ist, einen sehr viel höheren pH-Wert. Das bedeutet, dass es basischer wirkt und Säure dementsprechend stärker bindet als Natron.
Natron als Heilmittel: Früher normal, heute kritisch zu betrachten
Seit Jahrzehnten hält sich der Mythos als Allheilmittels hartnäckig. So wird es z. B. gern gegen einen übersäuerten Magen oder zur Behandlung von Nierenleiden empfohlen. Das weiße Pulver wird in diesen Fällen mit Wasser verdünnt getrunken und soll Symptome wie Sodbrennen bekämpfen. Fakt ist: Natron kann tatsächlich überschüssige Magensäure binden und so den pH-Wert senken. Bei der Dosierung sollte man allerdings Vorsicht walten oder gleich ganz die Finger davonlassen: Denn zum einen setzt es CO2 frei, was zu Blähungen und in seltenen Fällen sogar zu Magenrissen führen kann. Zum anderen kann es bei dauerhafter Anwendung zu einer vermehrten Produktion von Magensäure kommen. Dies kann zu schlimmen Schädigungen des Magens führen. Wissenschaftler raten daher mittlerweile von einer Behandlung damit ab.
Immer wieder ist auch zu lesen, dass Natronpulver angeblich gegen Krebserkrankungen hilft. Die Vermutung liegt zwar nahe, da Krebszellen ein saures Milieu für ihr Wachstum benötigen und Natron dieses abschwächen kann. Zu dieser Theorie gibt es allerdings keinerlei seriöse Studien und Belege.
Sollte man Natronpulver entgegen der Empfehlung doch einnehmen wollen, ist auf die Reinheit zu achten und diese sollte mindestens Lebensmittelqualität haben. Es werden vier Qualitätsstufen nach Anwendungsgebiet unterschieden:
- Industriequalität
- Lebensmittelqualität
- Pharmaqualität
- Analyse (für die Forschung)
Zur Herstellung von Kosmetik wird Pharmaqualität empfohlen. Angaben zum Reinheitsgrad finden Sie auf der Verpackung.
Natron richtig anwenden – im Haushalt
Im Haushalt glänzt Natron – und das wortwörtlich! Natron ist sowohl fett- als auch kalklösend und daher eine echte Allzweck-Waffe gegen Schmutz: verkrusteter Backofen, verkalkte Armaturen, verstopfter Abfluss … hier kann Natron einen Spezialreiniger problemlos ersetzen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Natron ist – im Gegensatz zu vielen chemischen Reinigungsmitteln – ökologisch unbedenklich. Mischt man sich einen Allzweckreiniger aus Natron zusammen, spart man nicht nur eine ganze Menge Plastikmüll, sondern auch Geld.
Rezept für 0,5 l „Natron-Allzweckreiniger“
Das brauchen Sie
- Sprühflasche
- 0,5 l Wasser
- 2 TL Natron
- 2 TL geraspelte Kernseife
- einige Spritzer Zitronensaft
Und so geht’s
- Das Wasser erhitzen und die Kernseife darin auflösen, abkühlen lassen. Dann Zitronensaft und Natron untermischen und in die Sprühflasche füllen. Fertig! Je nach Belieben kann man dem Reiniger mit ätherischen Ölen wie Lavendel, eine frische Note verleihen.
- Bei stärkeren Verschmutzungen, wie z.B. bei verkrusteten Backöfen, gibt man das Pulver direkt auf die angefeuchtete Oberfläche. Nach einer Einwirkzeit von ca. 1 Stunde kann das Natron mit einem feuchten Lappen entfernt werden – und mit ihm Schmutz und eingebrannte Essenreste.
Mit Natron den Abfluss reinigen
Rohrreiniger sind häufig echte Chemiekeulen. Hier ist Natron in Verbindung mit Essig genauso effektiv und ökologisch unbedenklich. Zum Abflussreinigen benötigt man lediglich:
- ½ Tasse Natron
- ½ Tasse Essig
- einen feuchten Lappen
- 1 l kochendes Wasser
- Das Natron in den Ausguss schütten und mit dem Essig vorsichtig nachspülen. Es beginnt nun zu schäumen und der Abfluss wird mit dem feuchten Lappen abgedeckt.
- Nach ca. 1 Stunde den Lappen wegnehmen und mit kochendem Wasser nachspülen.
Aber Achtung: So effektiv und ökologisch Natron auch sein mag, es sollte nicht auf mineralischen Oberflächen wie Marmor und Kunstleder eingesetzt werden!
Waschen mit Natron
Natronpulver alleine macht die Wäsche leider nicht sauber. Zusätzlich zum Waschmittel angewandt unterstützt es jedoch dessen Wirkung. Es enthärtet nicht nur das Wasser und ersetzt so den Weichspüler, sondern neutralisiert auch Gerüche.
Diese geruchsneutralisierende Wirkung kann man sich auch an anderer Stelle zunutze machen, z.B. bei übel riechenden Kühlschränken. Einfach ein Schälchen mit Natronpulver hineinstellen und nach 24 Stunden ist der Gestank verschwunden.
Natron in der Kosmetik – Do it Yourself!
Wer wissen möchte, was in seiner Kosmetik steckt, der sollte sie am besten selbst herstellen! Mit seinen positiven Eigenschaften (antibakteriell, fettlösend, geruchsneutralisierend, säurebindend) kann Natronpulver die ideale Basis für verschiedene selbstgemachte Kosmetikprodukte sein. Die Vorteile von DIY-Kosmetik liegen auf der Hand: Man weiß, was drin steckt, schont den Geldbeutel und vermeidet viel Verpackungsmüll. Hier einige Anregungen, wie man mit Natron seinem Körper, der Umwelt und dem Geldbeutel etwas Gutes tun kann.
Für frischen Atem
Natron eignet es sich hervorragend als Mundwasser, um Mundgeruch in den Griff zu bekommen. Dazu einfach etwas davon in Wasser auflösen und gurgeln. Ausspucken nicht vergessen! Für einen frischeren Geschmack kann man noch ein paar Tropfen Minzöl in die Lösung geben.
Zudem ist es auch effektiv gegen Zahnbeläge. Daher kann das Mundwasser auch zum Putzen der Zähne (zusätzlich zur Zahncreme) verwendet werden. Da der Zahnschmelz sehr empfindlich ist, sollte man allerdings davon absehen, mit dem Natronpulver die Zähne zu „schmirgeln“. Übrigens: Natriumhydrogencarbonat ist häufig Bestandteil von medizinischen Zahncremes.
Wer nicht nur im Mund, sondern auch unter den Armen für frischen Duft sorgen will, der kann mit nur drei Zutaten (Natronpulver, Kokosöl, Speisestärke) ein Creme-Deo herstellen. Die bewährte Anleitung für DIY-Deo finden Sie hier im Waschbär-Magazin.
Reinigende Gesichtsmaske
Für die Gesichtsmaske wird nur eine zusätzliche Zutat benötigt: Kokosöl. Dieses zu gleichen Teilen mit dem Natron zu einer Paste vermengen und im gereinigten Gesicht auftragen. 15 Minuten einwirken lassen und danach sanft mit lauwarmem Wasser abspülen. Das Natron entfernt abgestorbene Hautschüppchen und das Kokosöl versorgt die Haut mit Feuchtigkeit.
Mit Natronpulver Haare waschen?
Die fettlösende Eigenschaft kann man sich beim Haarewaschen zunutze machen. Hierzu braucht es lediglich 2 – 4 TL Natron und 200 – 400 ml lauwarmes Wasser (Menge je nach Haarlänge). Das Natron wird im Wasser aufgelöst und auf das vorgespülte, feuchte Haar gegeben. Gut einmassieren und nach ca. 3 Minuten wieder auswaschen. Das Ergebnis: wunderbar weiches Haar ganz ohne Silikone, Parabene etc.
Aber Achtung bei gefärbten Haaren! Natronpulver kann die Haarfarbe ausbleichen.
Sollte das Haar nach der Wäsche zu trocken sein, empfiehlt sich eine Haarspülung aus Apfelessig und Wasser (1 TL auf 0,5 l Wasser). So wird das Haar leicht kämmbar und Natronrückstände werden ausgewaschen.
Haltbarkeit und Entsorgung
Natronpulver ist etwa ein Jahr lang haltbar. Ob es noch gut ist, erkennt man an einem einfachen Test: ein paar Tropfen Zitronensaft oder Essig darauf träufeln – schäumt es, ist es noch verwendbar. Reste können über das Abwasser und den Hausmüll entsorgt werden