Purpose Unternehmen – was ist das?
Bei der Triaz Group, zu der auch Waschbär gehört, steht in Kürze die Nachfolge an. Ernst Schütz, der derzeit noch die Mehrheit an der Triaz Group hält, und die beiden neuen Geschäftsführer Katharina Hupfer und Matthias Wehrle haben sich dafür einen ungewöhnlichen Weg gesucht. Die Triaz Group wird ein Purpose Unternehmen, Hupfer und Wehrle werden Purpose Unternehmer. Wie dieses Konzept entstanden ist und was dahintersteckt, haben wir uns von Armin Steuernagel erklären lassen. Er ist Gründer von Waldorfshop und von Mogli und Vordenker der Purpose Idee. Zusammen mit Ernst Schütz, dem Unternehmer Daniel Häni und dem Finanz- und Bankexperten Alexander Schwedeler hat er die Purpose Stiftung gegründet.
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Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit alternativen Konzepten für Wirtschaft auseinanderzusetzen?
Mein Interesse für Wirtschaft ist recht früh in meiner Jugend aus den Gesprächen der Erwachsenen entstanden, denen ich zugehört habe. Da gab es so eine Ohnmacht gegenüber unserem Wirtschaftssystem. Es hat mich interessiert, da näher reinzuschauen und zu verstehen, was in diesem System los ist, das alles übernimmt und alle Bereiche der Gesellschaft ökonomisiert.
Sie beschäftigen sich seit einiger Zeit besonders intensiv mit dem Thema Eigentum. Was bedeutet Eigentum für Sie?
Eigentümer einer Firma zu sein, ist für mich etwas Besonderes. Eigentum heißt für mich, mich mit einer Sache voll zu identifizieren, dafür verantwortlich zu sein. Sich als Elternteil einer Firma zu fühlen. Die Kehrseite aber ist, dass ich auch das absolute Recht über diese Firma habe. Ich kann sie ausnehmen, verkaufen oder sogar zerstören. Das kommt daher, dass wir eine Firma als Sache begreifen. Aber eigentlich sind Unternehmen doch lebendige Organismen, in denen Menschen zusammenarbeiten. Ich bin daher der Meinung, dass wir jetzt im 21. Jahrhundert ein neues Verständnis von Eigentum brauchen.
Wie genau stellen Sie sich das vor?
Unternehmen sollen sich gewissermaßen selbst gehören oder denen, die gerade vor Ort in der Firma aktiv sind. Eine Mitarbeiterin kam mal auf mich zu: „Du sagst immer, dass wir hier für die Sache, für die Idee arbeiten. Stimmt das eigentlich? Arbeiten wir nicht doch eigentlich für Dich? Du kannst doch das Unternehmen jederzeit verkaufen und monetarisieren.“ Ich musste ihr Recht geben und stellte aber auch fest, dass das gar nicht meine Intention ist und war. Ich habe meine Firmen gegründet, weil ich eine Notwendigkeit gesehen habe, eine Idee verwirklichen will und ihr dienen will. Wenn man dann aber zum Beispiel eine GmbH gründet, dann kehrt sich dieses Verhältnis um. Dann diene ich nicht mehr der Idee, sondern die Idee dient mir. Und den Mitarbeitern fehlt die Möglichkeit sich so mit dem Unternehmen zu identifizieren, wie ich das als Eigentümer kann.
Die Lösung?
Mir wurde klar, dass ich mein Eigentum weitergeben muss, wenn ich nicht mehr tätig bin im Unternehmen. Die Menschen, die der Mission eines Unternehmens dienen, sollten im besten Falle auch deren Eigentümer sein.
Also das Unternehmen verkaufen?
Normalerweise würde man das Unternehmen verkaufen. Aber dann muss jemand viel Geld in die Hand nehmen und die Firma stark belasten. Das fand ich auch nicht richtig. Wie kann ich das anders machen? Ich kann es vererben! Aber statt es in der Blutsverwandtschaft weiterzugeben, vererbe ich es in der Werte- und Fähigkeitenverwandtschaft. Familienunternehmen 2.0 nenne ich das. Gerade das macht Familienunternehmen ja so stark, dass die nie verkauft werden, sondern immer nur weitergegeben werden! Und dadurch müssen sie auch nie ihren eigenen Wert zurück verdienen.
Aus diesen Überlegungen ist dann die Purpose Idee entstanden?
Ja, so ist die Purpose Idee entstanden. Mit der Purpose Stiftung haben wir eine juristische Möglichkeit gefunden, dass die Leute, die ein Unternehmen führen, auch tatsächlich dessen Eigentümer sind. Ich spreche hierbei von Verantwortungseigentum. Verantwortungseigentum basiert auf zwei Prinzipien: Erstens müssen die Unternehmer die Eigentümer sein und zweitens sind die Gewinne kein Selbstzweck, sondern nur ein Mittel zum Zweck. Die Eigentümer haben nicht das Recht, sich die Gewinne auszuschütten und sie können das Unternehmen nicht verkaufen. Ganz im Gegenteil: Sie haben die Pflicht ihren Eigentumsanteil zurückzugeben oder weiterzugeben, wenn sie das Unternehmen verlassen.
Haben Sie Ihre Unternehmen in ein Purpose Unternehmen umgewandelt?
Ja, beim Waldorfshop haben wir das schon gemacht.
Wie stellt die Purpose Stiftung sicher, dass diese Prinzipien eingehalten werden?
Die Unternehmen geben der Purpose Stiftung einen Anteil von maximal einem Prozent. Die Stiftung hat den Auftrag, ein Veto einzulegen, sollte jemand sich nicht an die Regeln halten. Änderungen sind nur mit einer Mehrheit von 100 Prozent möglich.
Welchen Einfluss erhoffen Sie sich von Purpose für unsere Wirtschaft?
Dass wir uns als Menschen die Wirtschaft wieder zurückerobern. Eigentlich wäre die Wirtschaft dafür da, dass wir uns ernähren und leben können auf diesem Planeten. Aber heute ist sie eher wie ein Feind. Sie ist etwas, das nichts mit uns zu tun hat und von Marktgesetzen dirigiert wird, die wir nicht verstehen. Eigentlich sind wir ja die Wirtschaft und können sie selbst bestimmen. Den Impuls der Selbstbestimmung, den die Demokratie dem Staat gebracht hat, möchten wir auch in die Wirtschaft bringen. Und ich glaube, der Kapitalismus ist gerade dabei, durch das gegenwärtige Eigentumsrecht als Spekulationsrecht, die Marktwirtschaft zu unterhöhlen. Auch darum ist das so essenziell, was wir mit Purpose tun.
Können Sie diesen Zusammenhang bitte genauer erläutern?
Wir unterhöhlen gerade die ganzen Versprechen des Kapitalismus von privater Verantwortung, Vielfalt und freier Wahl. Noch nie hatten wir so eine Markenkonzentration wie heute. Noch nie hatten wir so wenige Unternehmen, die so groß sind und so viel produzieren und von denen die ganze Wirtschaft abhängt. Gehen Sie mal durch einen Alnatura – wenn Sie Pukka Tee kaufen, kaufen Sie bei Unilever, oder Alnatura-Pizza: sie kaufen bei Nestle usw. Daher müssen wir aufhören, Unternehmen zu Spekulationsgütern zu machen, ansonsten laden wir bei einer Marktkonzentration, die größer ist, als jedes kommunistische Land sich das je erträumen konnte. Indem wir Unternehmen helfen, selbständig zu bleiben, können wir eine dezentrale vielfältige Wirtschaft retten. Mit Purpose setzen wir am Kern des Kapitalismus an. Was ist der Kern? Eigentum am Unternehmen!
Und wenn man in einem Purpose Unternehmen arbeitet, dann ist das doch auch ganz anders!
In der Tat, denn das bedeutet eine Umwandlung von Gewinnmaximierung in Sinnmaximierung! 80 Prozent der Menschen haben heute innerlich gekündigt und machen nur Dienst nach Vorschrift, weil sie einen Großteil ihrer Lebenszeit in Unternehmen verbringen, die von anonymen Märkten und Algorithmen bestimmt werden. Stattdessen können sie für ein Unternehmen arbeiten, bei dem sie mit Leidenschaft dabei sein können und sagen können: Dafür ist es sinnvoll, zu arbeiten. Und eben nicht für den zehnten Porsche eines Shareholders in Hong Kong.
Und was haben die Kunden davon?
Was sind Sie als Kunde? Wie betrachtet Sie eine gewinnmaximierende Firma? Als Instrument und als Mittel zum Zweck, Sie sind nicht das Ziel. Was ist zum Beispiel das Ziel von VW? Die einen sagen, Autos bauen. Die anderen sagen, das Ziel ist, Gewinne zu machen. Das ist ein komisches Paradox, dass wir einerseits denken, Unternehmen sind dafür da, dass sie Kunden beliefern und auf der anderen Seite, dass Unternehmen dafür da sind, Gewinne zu machen. Das eine unterhöhlt das andere. Wenn Sie bei einem Unternehmen einkaufen, bei dem Sie wissen, dass dessen DNA anders gestrickt ist, und wissen, dass es wirklich für Sie existiert, weil es Sinn-Eigentümer hat, dann können Sie diesem Unternehmen auch viel besser vertrauen.
Purpose – kurz erklärt
Die Purpose Stiftung unterstützt Unternehmen dabei, sich von rein wirtschaftlichen Interessen von Eigentümern und externen Investoren unabhängig zu machen, sodass sie ihrem eigentlichen Unternehmenszweck treu bleiben können. Purpose definiert Eigentum neu: Die Eigentümer haben nicht das Recht, alle Gewinne zu privatisieren; sie können das Unternehmen weder verkaufen noch vererben. Und Eigentümer bleiben sie nur solange, wie sie auch Verantwortung für das Unternehmen übernehmen. Die Purpose Stiftung hilft Unternehmen, sich selbst zu gehören, ohne eine eigene Stiftung gründen zu müssen. Dank eines Anteils von maximal einem Prozent, den die Purpose Stiftung treuhänderisch hält, kann die Stiftung ein Veto einlegen, wenn Versuche unternommen werden, dass Unternehmen zu einem Spekulationsgut zu machen.