Repair Café: Gemeinsam reparieren statt allein wegwerfen
In Städten und Gemeinden sprießen sie wie Pilze aus dem Boden: die Repair Cafés. Bei einer Tasse heißem Kaffee werden dort gemeinsam mit geschickten Ehrenamtlichen defekte Dinge unter die Lupe genommen. Das Konzept ist ein voller Erfolg: Weltweit gibt es mittlerweile über 2.900 Repair Cafés. Aber warum sind die Reparaturtreffs so beliebt und wie funktioniert ein Repair Café eigentlich? Ich habe ein Treffen im Repair Café Stuttgart-West besucht und konnte im Gespräch mit dem Mitbegründer Dominik Blancha viele Eindrücke rund um die Reparaturbewegung sammeln.
Inhalt
Wegwerfen bedroht unsere Zukunft
Wir alle wissen: Reparieren statt wegwerfen schont die Umwelt und spart Geld! Trotzdem wanderten in Europa im Jahr 2020 rund 4,7 Millionen Tonnen ausgediente Elektro- und Elektronikgeräte auf den Müll. Ein neuer Rekord. Jeder Bundesbürger produzierte in diesem Jahr durchschnittlich rund 12,5 Kilogramm Elektroschrott – damit liegt Deutschland über dem EU-Durchschnitt.
Nicht selten stoßen Verbraucher und Verbraucherinnen bei defekten Gegenständen an die Grenzen ihrer handwerklichen Fähigkeiten. Aus Ratlosigkeit werden defekte Dinge dann oft entsorgt und durch funktionstüchtige Nachfolger ersetzt. Konsumieren, wegwerfen, neu kaufen – gerade bei der jüngeren Generation gerät das Wissen um die Reparatur von Gegenständen immer mehr in Vergessenheit. Dieser Problematik unserer Wegwerfgesellschaft versucht das Konzept der Repair Cafés entgegenzuwirken.
Repair Cafés: Ein Appell zum Reparieren
Um diese Reparaturkultur zu fördern, gründeten Dominik und seine Freunde damals auch das erste Repair Café in Stuttgart. „Dabei war die Bewältigung des großen Andrangs die einzige Startschwierigkeit, die wir hatten“, erzählt der Mitgründer. Mittlerweile gibt es in Stuttgart sieben Repair Cafés – das Konzept ist bei allen Initiativen gleich: „Im Prinzip ist es ein Treffen von Leuten, die zusammen reparieren“, erklärt Dominik die Grundidee vom Repair Café. Zu den regelmäßigen Reparaturtreffen bringen die Besucher und Besucherinnen ihre defekten Gegenstände von zu Hause mit. Vor Ort gibt es nicht nur das passende Werkzeug sowie Material und Bastelbücher für Reparaturen aller Art. Die ehrenamtlichen Helfenden verfügen zudem über das nötige Reparaturwissen, um die Gegenstände wieder zum Laufen zu bringen.
Dominik beschreibt den Effekt des gemeinsamen Reparierens als Wissenstransfer. Wertvolle praktische Fähigkeiten lassen sich damit vermitteln und das Interesse am Reparieren wird wieder geweckt. Als ich bei meinem Besuch im Repair Café Stuttgart West den Besuchern und Besucherinnen über die Schulter schaute, strahlte mich eine junge Studentin an: „Ich fühle mich, als hätte ich heute ein halbes Studium der Elektrotechnik absolviert“. Der Mitbegründer beobachtet, dass es aber auch oft die kleinen technischen Dinge des Alltags sind, die bei den Besuchenden große „Aha-Momente“ auslösen.
Das Repair Café als sozialer Treffpunkt
Als ich die Menschen beim Werkeln fotografierte, spürte ich neben dem technischen Aspekt noch eine andere Komponente: Diese Treffen haben einen unglaublich starken sozialen Faktor. Denn hier stecken fremde Menschen aus den unterschiedlichsten Schichten und Altersgruppen bei heißem Kaffee und Foodsharing-Snacks die Köpfe zusammen.
Es begegnen sich Personen, die normalerweise niemals aufeinandertreffen würden. Damit wachsen Möglichkeiten, ins Gespräch zu kommen, mehr Toleranz für das Gegenüber entstehen zu lassen oder die eigenen Vorurteile zu durchbrechen. Dominik beobachtet jedoch noch viel mehr.
„Durch die monatlichen Treffen entstehen langjährige Freundschaften zwischen den Besuchern. Es ist eine Art Szene herangewachsen, in der sich jeder kennt.“
Gerade für ältere Menschen bietet das Repair Café deshalb eine wunderbare Möglichkeit, einen Weg aus der Einsamkeit zu finden. Hier können sie in Gesellschaft tätig sein und sich gebraucht fühlen.
Beim Repair Café mitmachen oder selbst gründen – so geht’s
Aber wie funktioniert das eigentlich mit dem Mitmachen? In der Regel ist es simpel: „Neugierige können einfach vorbeikommen, vielleicht erst einmal etwas zum Reparieren mitbringen und zuschauen, wie das so läuft“, erklärt Dominik. Finanziert wird ein Repair Café generell ausschließlich durch Spenden. Dank genügend ehrenamtlicher Helfer und Helferinnen läuft die Initiative in Stuttgart-West seit über zehn Jahren erfolgreich. Freiwillige können sich in einem Repair Café in ihrer Nähe ganz nach ihrem eigenen Ermessen engagieren. Manche helfen eine Stunde beim Reparieren, andere bleiben den ganzen Tag. Auch Mithilfe bei der Organisation oder das Mitbringen einer Kuchenspende sind gern gesehen.
Wenn Sie mitmachen möchten, sollten Sie zuerst ein Repair Café in Ihrer Nähe finden. Sollte es noch kein Repair Café in Ihrem Heimatort geben, können Sie Ihre eigene Initiative starten. Die Stiftung Repair Café unterstützt lokale Gruppen, die ein eigenes Repair Café eröffnen möchten. Gegen einen einmaligen freiwilligen Beitrag können Sie das digitale Startpaket erwerben. Initiativen und Freiwilligenarbeit können viel für eine nachhaltigere Welt bewegen. Langfristig sollten aber nicht nur die Symptome unserer Wegwerfgesellschaft bekämpft werden, sondern auch die Ursachen.
Umweltschützer und -schützerinnen fordern das „Recht auf Reparatur“
Viele Repair-Cafés sowie Umweltschützer und -schützerinnen fordern daher, dass Hersteller ihre Produkte langlebiger und reparierbar gestalten. Dazu soll auch das Recht auf Reparatur beitragen: Verbraucherinnen und Verbraucher sollen ihre defekten Geräte selbst reparieren oder Reparateure ihrer Wahl beauftragen können. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Geräte mit normalem Werkzeug auseinandergenommen werden können, ohne sie dabei zu zerstören. Hersteller müssen dazu auch die passenden Informationen für die Reparatur zur Verfügung stellen.
In den letzten Jahren wurden schon einige Fortschritte bei der Verlängerung der Lebensdauer von Produkten erzielt: Seit März 2021 müssen Hersteller von Kühlschränken, Geschirrspülern, Waschmaschinen, Fernsehern und anderen Elektrogroßgeräten Ersatzteile teilweise bis zu zehn Jahre vorrätig halten. Für Smartphones, Mobiltelefone und auch Tablets gibt es eine solche Regelung noch nicht. Sie wird aber bereits im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie in Brüssel verhandelt. Dabei geht es vor allem um die Lebensdauer der Geräte und ihrer Akkus, die Reparierbarkeit sowie die Verfügbarkeit von Ersatzteilen.
Auch in Dominiks Repair Café kommen 85 Prozent der Besucher und Besucherinnen mit defekten Elektrogeräten. Deshalb fordert er die Unternehmen auf, vor allem elektronische Produkte reparaturfreundlicher zu gestalten. Denn das ökologische Bewusstsein unserer Gesellschaft kann vor allem dann weiter wachsen, wenn uns die Unternehmen eine bessere Grundlage für ein nachhaltiges Leben bieten.