Rollenverteilung in der Familie: Vom Haupternährer zum Teilzeitvater

Durch die Rollenentwicklung in der Familie hat dieser Vater Zeit, gemeinsam mit seiner kleinen Tochter zu basteln.

Inzwischen sieht man sie immer häufiger: Väter, die mit ihren Kindern nicht nur am Wochenende unterwegs sind, sondern sich die Aufgaben im Familienalltag aktiv mit ihrer Partnerin teilen. Volker Baisch, Gründer und Geschäftsführer des Väternetzwerks conpadres begleitet seit mehr als 20 Jahren Väter auf ihrem Weg zu einer partnerschaftlichen Vereinbarkeit. conpadres umfasst circa 30 Mitgliedsunternehmen, darunter zum Beispiel die Lufthansa, die Deutsche Rentenversicherung oder die Commerzbank. Im Gespräch berichtet der zweifache Vater, was sich in Sachen Rollenverteilung in der Familie ändern muss.

Volker Baisch im Interview über die sich wandelnde Rollenverteilung in der Familie

Herr Baisch, wie sieht die Rollenverteilung in der Familie zurzeit aus? Sind wir auf einem guten Weg weg von dem klassischen Modell: Vater arbeitet Vollzeit und Mutter kümmert sich um Kinder und arbeitet Teilzeit dazu?

77 Prozent der Väter sind in Deutschland immer noch die Haupternährer in der Familie. Wenn sie länger zu Hause bleiben würden oder nur in Teilzeit arbeiten, würde es der Familie finanziell schlechter gehen. Das liegt vor allem an dem hohen Gender-Pay-Gap – der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Die steigt besonders bei der Geburt des ersten Kindes stark an und bleibt dann beim zweiten Kind meist auf einem hohen Niveau. Denn drei Viertel der Mütter gehen nach der Elternzeit in Teilzeit, was wiederum ihre Karrierechancen schmälert und wodurch sie dauerhaft weniger verdienen.

Bislang nehmen die meisten Väter nur die zwei Partnermonate und steigen danach wieder in Vollzeit ein, was sicher auch an der unterschiedlichen Bezahlung, aber ebenso an den Rollenerwartungen an die Männer liegt. Insgesamt sind wir in Deutschland aber auf einem guten Weg, denn die Anzahl der Väter in Elternzeit steigt kontinuierlich jedes Jahr und auch beim Ausbau der Kitabetreuung hat Deutschland aufgeholt.

Was muss passieren, damit Familienaufgaben und Berufsleben besser auf beide Elternschultern verteilt sind? 

Die Situation lässt sich vor allem ändern, wenn wir eine nahezu paritätische Elternzeit hätten. Also ein 50 : 50- oder 60 : 40-Modell. Und das klappt nur, wenn Väter deutlich mehr Elternzeit nehmen als bisher. Das heißt, wir brauchen mindestens fünf bis sechs Monate Elternzeit für die Väter, zurzeit sind es ja nur im Durchschnitt 3,7 Monate. Zumindest steht im Koalitionsvertrag, dass die Partnermonate erhöht werden sollen, die oft von den Vätern genommen werden.

Und dann brauchen die Mütter den Mut und auch die Bereitschaft, ihre Stundenzahl nach der Elternzeit zu erhöhen – für viele Frauen ist das keine leichte Aufgabe. Das wiederum bedeutet schließlich auch, dass sie bestimmte Aufgaben abgeben müssen, zum Beispiel Dinge, die sie im Haushalt übernehmen.

Wollen Mütter und Väter denn so ein paritätisches Modell? Das hieße ja auch ein erhebliches Umdenken!

Ja, wir haben im letzten Jahr zu unserem zehnjährigen Firmenjubiläum eine Forsa-Studie zum Thema Vereinbarkeit aus Sicht der werdenden Mütter und Väter in Auftrag gegeben und die ergab, dass 50 Prozent der werdenden Eltern sich eine gleichwertige Aufteilung von Beruf und Familie wünschen, also ein 50 : 50-Modell. Und 60 Prozent der Eltern mit Kleinkindern wünschen sich sogar in den ersten drei Jahren eine partnerschaftliche Aufteilung. Aber leider schaffen es nur 17 Prozent. Wir haben also eine eklatante Lücke innerhalb der Partnerschaft und das macht beide unzufrieden und auch unglücklich.

Leider sind die Unternehmen überhaupt noch nicht auf diese Entwicklung eingestellt. Wenn jemand mit solchen Wünschen ins Unternehmen geht und dann mit seinen Wünschen so ausgebremst wird, ist das natürlich frustrierend und macht es den Paaren zusätzlich sehr schwer, alte Rollenmuster abzulegen.

Eine paritätische Lösung ist immer dann einfacher, wenn die Paare gleich viel verdienen. Entscheidend ist auch, welche Möglichkeiten die Unternehmen anbieten, und deshalb fokussieren wir uns mit unserem Angebot auf die Väter in den Unternehmen.

Wie sieht es denn in den Unternehmen aus? Gibt es viele Betriebe, die nichts gegen eine längere Elternzeit von Vätern haben?

In vielen Betrieben ist das tatsächlich noch schwierig. Im Mai dieses Jahres ist eine Studie von der Antidiskriminierungsstelle erschienen, die belegt, dass viele Väter diskriminiert, ja sogar gemobbt werden, wenn sie zu ihren Vorgesetzten gehen und eine längere Elternzeit fordern. Eine Situation, die für jemanden, der 80 Prozent des Familieneinkommens verdient, nicht tragbar ist.

Viele Männer beharren dann nicht auf ihrem Recht und die wenigsten trauen sich, vors Arbeitsgericht zu gehen. Tun sie es dann doch, endet das Verfahren meist mit einer Abfindung. Für einen jungen Vater ist das natürlich keine Perspektive. Allerdings haben 60 Prozent der befragten Väter in unserer Studie auch gesagt, dass sie das Unternehmen verlassen, wenn ihre Wünsche nicht umgesetzt werden.

Ein Vater sitzt an einem Holzschreibtisch im Homeoffice.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielt eine immer größere Rolle bei der Wahl des Arbeitgebers.

Was muss also passieren, damit sich tatsächlich in den Unternehmen etwas ändert? 

Optimal wäre, wenn sich beide Partner beraten lassen würden, möglichst vor der Schwangerschaft oder schon dann, wenn ein Kinderwunsch besteht. Und zwar auch dann, wenn beide Partner bei unterschiedlichen Arbeitgebern beschäftigt sind. Das wäre dann ein klassisches Vereinbarkeitscoaching.

Die Unternehmen sollten sich bewegen, denn schließlich suchen viele Betriebe die passenden Mitarbeitenden. Man muss allerdings auch sagen, dass es in einigen Unternehmen durchaus familienfreundliche Angebote gibt, die Viertagewoche zum Beispiel, Elternteilzeit oder gestückelte Elternzeit.

Wichtig ist ja auch, dass sich die Paare früh mit dem Thema beschäftigen – was raten Sie den angehenden Eltern?

Es ist sehr wichtig, dass sich die Paare austauschen, sich an einen Tisch setzen und überlegen, wie die Aufteilung von Berufsleben und Familienleben aussieht. Viele Paare glauben, dass sie das schon irgendwie hinbekommen. Beim ersten Kind klappt es meist auch, die Frau steigt wieder früh in den Beruf ein, selbst wenn der Mann nur die zwei Elternzeitmonate nimmt. Spätestens beim zweiten Kind gehen drei Viertel der Frauen zurück in eine Teilzeitbeschäftigung. Und dann entsteht dieses Ungleichgewicht – vorher hatten sie zwei Gehälter und dann haben sie plötzlich ein deutlich geringeres Einkommen. Deshalb ist es so wichtig, dass die Paare eine eigene feste Vereinbarung für diese Parität vereinbaren. Sonst tappen sie in diese klassische Falle.

Wichtig ist auch, dass die Kultur in den Unternehmen sich ändert, die Einstellung der Führungskräfte. Wenn Männer länger in Elternzeit gehen, heißt das ja nicht, dass sie keine Lust mehr auf ihren Job haben oder keine Karriere machen möchten. Sie möchten vor allem ihre Partnerin unterstützen, damit deren Wiedereinstieg auch möglich ist. Optimal ist ein Modell, bei dem beide 80 Prozent arbeiten.

Das setzt wiederum auch voraus, dass es eine verlässliche Kinderbetreuung gibt …

Das ist die Grundvoraussetzung und da gibt es in unserem föderalistischen System sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen. In manchen Bundesländern müssen die Kinder um 12 oder 13 Uhr von der Kita oder Krippe abgeholt werden. Das ist eine Vollbremsung für die Paare, die sich die Kinderbetreuung aufteilen. In den Stadtstaaten klappt das deutlich besser. In Hamburg oder Berlin gab es schon vor 20 Jahren Kitas, die Betreuung bis 16 Uhr angeboten haben.

Über unseren Interviewpartner Volker Baisch

Volker Baisch ist diplomierter Volkswirt und zweifacher Vater. 2001 gründete er mit der Väter gGmbH ein Social Business, dass sich das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus Vätersicht auf die Fahne geschrieben hat. Aufgrund eigener Erfahrungen in seiner Elternzeit wusste der Berater, Coach und Buchautor, wie wichtig es ist, konkrete Lösungen für werdende Väter zum Thema Vereinbarkeit zu entwickeln.

Gründer des Netzwerks conpadres Volker Baisch im Porträt.
Volker Baisch hat das Netzwerk conpadres gegründet.

Inzwischen ist aus dem Beratungsunternehmen das Väternetzwerk conpadres geworden. Noch immer mischt Volker Baisch überall dort mit, wo das Thema Vereinbarkeit für Väter stärker in der Unternehmenskultur verankert werden soll. Der Vereinbarkeitsexperte vernetzt Unternehmen und ermutigt diese, von- und miteinander zu lernen.

 

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