Nach dem Schock des Hackerangriffs selbstwirksam die Balance halten
Geschäftsführung in Krisenzeiten ist nicht unbedingt das, was man als Traumjob bezeichnen mag. Wenn einem der Wind ins Gesicht bläst, ist es nicht leicht, standhaft zu bleiben und Kurs zu halten. Geschäftsführerin der Waschbär GmbH (Deutschland) Katharina Hupfer kann dem Hackerangriff dennoch Gutes abgewinnen.
Waschbär-News (WB-News): Auf einer Skala von 1 (alles in Balance) bis 10 (jetzt reichts mir aber!) – wie geht es Dir knapp vier Wochen nach dem Hackerangriff auf Waschbär?
Katharina Hupfer (KH): So in der Mitte würde ich sagen, mit einer leichten Tendenz zum Positiven. Ich denke dabei an das Bild eines Berges: Wir sind bei der Bewältigung der Aufgaben den Berg hoch gegangen und am Gipfelkreuz angekommen – und dabei weht der Wind ordentlich. Gefühlt bin ich jetzt schon wieder ein Stückchen vom Gipfel weg auf dem Grat; da steht man zwar gut, aber der ist schmal, man muss Fuß vor Fuß setzen. Dafür hat man einen unglaublichen Blick in die Weite und einen Plan, wie es weiter geht. Es gibt aber eben auch die Abgründe links und rechts und man muss die Balance halten.
Was ich auch sehe, sind weitere Berge vor mir: Weil ich weiß, das wird nichts Kurzfristiges werden, das wird uns noch lange begleiten. Es wird wieder hoch und runter gehen, es wird auch mal schlechtes Wetter kommen, dann muss ich mich in einer Schutzhütte unterstellen. Wir sind immer noch im Notbetrieb, aber mit einem Ausblick nach vorne.
WB-News: Um im Bild des Berges zu bleiben – war die Nachricht vom Hackerangriff am 19. Mai ein Blick in den Abgrund?
KH: Es ist wirklich erst einmal ein Schock und man kann es zunächst gar nicht glauben. Vom Schock geht das in die Ohnmacht. Dann geht man sehr schnell im Team zusammen und berät, wie man mit der Situation umgehen möchte. Was bei uns unheimlich gut geklappt hat: Unser IT-Bereich hat sehr schnell reagiert und der Krisenstab stand innerhalb eines Tages. Schon am zweiten Tag waren Experten auf dem Weg zu uns, trotz des bevorstehenden Pfingstwochenendes. Das war möglich, weil uns viele Leute aus unserem Netzwerk, die ähnliches erlebt hatten, ganz unkompliziert unterstützt haben. Da war mir klar: Wir packen das!
WB-News: Wie ist das Waschbär-Team in den ersten Tagen mit der Situation umgegangen?
KH: Uns war wichtig, wirklich ehrlich zu sagen, was uns passiert ist und Sicherheit zu geben. Wir haben sehr schnell Lieferanten und unsere Partner angeschrieben; wir haben unsere Kundinnen und Kunden informiert und sind in den Austausch mit unseren Mitarbeitenden gegangen. Daraus hat sich dann ein Ritual entwickelt: Einmal in der Woche stehen wir von der Geschäftsleitung Rede und Antwort. Wir versuchen sehr in Kontakt zu bleiben – denn in Zeiten von Corona kann man ja keine Betriebsversammlung abhalten. Wir machen das mit moderner Technik mit cloudbasierten Online-Meetings; unsere Mitarbeiter hören uns teilweise auf Smartphones zu, nehmen regen Anteil und unterstützen damit natürlich auch.
WB-News: Der persönliche Austausch ist wahrscheinlich umso wichtiger wegen dieser „Verletzung“ – vielleicht vergleichbar wie mit dem Gefühl nach einem Einbruch, bei dem einer in die private Wohnung eingedrungen ist und in den persönlichen Sachen gewühlt hat.
KH: Das erschüttert einen in Mark und Bein; auch weil einem das ja immer wieder passieren kann. Dann hat man mehrere Möglichkeiten. Eine ist, genau zu analysieren, was uns da passiert ist. Ein Experte hat mir das so erklärt: Es ist nicht „der Waschbär“ angegriffen worden, sondern da ist einfach jemand durch die Straße gelaufen und hat mal an den Türklinken gedrückt – und bei uns war sie offen und er ist rein. Das ist ja dann etwas Beliebiges und kein gezielter Angriff.
Wenn man das so analysiert, ist es nötig zu lernen, diese Verletzlichkeit zu akzeptieren. Denn es gibt keine Sicherheit, das wird einem schnell klar. Dann lieber in den Modus umschalten: Was tun wir jetzt? Jeder kann dazu etwas beitragen, zum Beispiel indem er einmal im Monat sein Passwort ändert und dafür nicht den Namen seiner Tochter und ihren Geburtstag nimmt. Dann hat, glaub ich, jeder das Gefühl, ich kann etwas dafür tun, dass ein Hackerangriff – sollte nochmals einer kommen – nicht mehr mit solchen schlimmen Konsequenzen verläuft.
WB-News: Was hat der Hackerangriff für die Führung des Unternehmens bedeutet?
Es wird einem nochmal bewusster, welche Rolle und Handlungsmöglichkeiten man hat. In der Krise muss man auch vertikal (also top-down) arbeiten, auch wenn das nicht unbedingt mein Führungsstil ist. Wir sind ja schon länger in einem Veränderungsprozess und ich sage dann immer: Wir müssen alle veränderungswillig sein. Das sagte ich mir dann auch nach dem Hackerangriff: Sei veränderungswillig und gehe mit der Situation um.
WB-News: Was hat der Hackerangriff bei Dir persönlich verändert?
Letztlich geht es nicht um das eigene Ego, sondern um das, was das Unternehmen braucht und was brauchen die Mitarbeitenden. Das wirft einen schon sehr auf die Basis zurück und man merkt auch: Was ist denn das Wichtige, was hält das Ganze zusammen…
Ja, die IT wurde angegriffen. Aber das Unternehmen wird zusammen gehalten von Menschen: von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, von unseren Partnern, von unserem Netzwerk. In dieser Community können wir alle miteinander reden, wir brauchen eigentlich gar keine Computer. Wir haben unsere Ideen, unsere Kreativität und unseren Kopf – das funktioniert super.
Natürlich müssen wir Mittel finden, um im Kontakt zu bleiben und Ideen auszutauschen, um uns auch gegenseitig Beistand zu leisten und Zuspruch zu geben. Da entsteht so viel Zuversicht, das einem dann auch wieder klar wird: Man ist an der richtigen Position und kann etwas bewegen. Selbst in einer so aussichtslosen Situation gibt es immer einen Weg heraus. Sobald man wieder Möglichkeiten bekommt, mit seinem eigenen Tun etwas zu bewegen, geht es nach vorn und dann bekommt man wieder Kraft und Energie.
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