Waldpädagogik: Wie kann man Kindern die Bedeutung des Waldes erklären?

Der Wald ist ein wertvoller Lebensraum – für die biologische Vielfalt, das Klima und den Menschen. Doch den Kindern wird der Wald zunehmend fremd. Damit gehen den Heranwachsenden nicht nur schöne Erfahrungen und Entfaltungspotenziale verloren, sondern dem Wald auch die zukünftigen Naturschützerinnen und Naturschützer. Die Waldpädagogik hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kindern und Jugendlichen die Natur auf spielerische Art näherzubringen. Wir haben mit dem staatlich zertifizierten Waldpädagogen Walter Plötz darüber gesprochen, wie Eltern die Waldpädagogik für sich nutzen und Kinder wieder für den Wald begeistern können.

Waldpädagoge Walter Plötz im Interview über die Beziehung zwischen Kind und Wald

Wie können Eltern ihren Kindern das Thema „Wald“ erklären?

Durch Erleben. Natürlich gibt es viele Online-Spiele, Videos und Bücher, die den Wald und seine Zusammenhänge prima erklären. Ich denke aber, vor allem ältere Kinder lassen sich allein über graue Theorie nicht für grüne Themen begeistern. Das Beste ist daher, einfach mit ihnen in den Wald zu gehen. Ich erlebe das selbst immer wieder: Sobald sie den Wald und das, was sie ansonsten nur theoretisch kennen, live erleben, kommt auch die Begeisterung. Und wenn sie ein wenig begleitet werden, dann lernen sie nebenbei auch viel über den Wald und seine Bewohner. Da entstehen viele Aha-Erlebnisse.

Welchen Ansatz der Waldpädagogik können Eltern aufgreifen, um ihre Kinder für den Wald zu begeistern und Wissen zu vermitteln?

Kinder lieben Geschichten, verbunden mit Action. Ein beliebtes Thema sind Eichhörnchen. Alle Kinder finden diese Tiere süß. Wenn man im Wald auf einen gefällten Baumstamm stößt, kann man daraus ein Waldtelefon machen. Und das funktioniert so: Die Eltern klopfen an einem Stammende und die Sprösslinge halten ihre Ohren an das andere Baumstammende. Der Stamm überträgt den Schall so gut, dass sogar ein leises Klopfen oder Kratzen am anderen Ende gut zu hören ist.

Die Geschichte dazu: Eichhörnchen bauen ihre Nester – die Kobel – nah am Stamm. Wenn ein Marder am Stamm hochklettert, können sie das leicht hören und schnell flüchten. Die Geschichte kann man weiterführen, indem man mit den Kindern einen Kobel nachbaut, dafür braucht es nur ein paar Stöcke. Dann erklärt man ihnen, dass Eichhörnchen ihre Wintervorräte nicht in das Nest legen, sondern verstecken und vergraben. Damit verwandelt man die Kinder kurzerhand in Eichhörnchen, die im Wald Tannenzapfen oder Eicheln suchen und verstecken.

Nach einer kurzen Ablenkungsphase sollen die Kinder alles wiederfinden. Hier kann man dann erklären, dass Eichhörnchen ihre Wintervorräte genauso verstecken, aber nicht alle wiederfinden, was gut ist. Denn aus den versteckten Waldfrüchten werden mit etwas Glück neue Bäume. So lernen junge Entdeckerinnen und Entdecker auf spielerische Weise, wie im Wald alles miteinander verwoben ist. Ich finde es immer wieder toll zu sehen, wie Kinder einem an den Lippen hängen. Sie bekommen richtig große Augen, wenn sie plötzlich die Natur verstehen.

Haben Sie noch weitere Tipps aus dem Bereich der Waldpädagogik zum Erkunden des Waldes?

Zusammen mit der Deutschen Wildtier Stiftung können Sie den Wald prima erkunden. Wir haben verschiedene Leitfäden entwickelt, die auf der Wildtierfreund-Website heruntergeladen werden können. Eltern können sich für jeden Ausflug ein Kapitel vornehmen und mit ihrem Nachwuchs viel im Wald erleben. Da gibt es Unterwasserlupen, Beobachtungsbögen, Tiergeschichten, Tierspuren und vieles mehr zu entdecken. Ein echtes Naturerlebnis ist übrigens im Frühjahr in den Bäumen zu hören: Einfach mal ein Ohr an den Stamm eines Baumes halten. Sie hören das Rauschen des Wassers, das von den Wurzeln in die Blätter geleitet wird.

Mädchen erkundet den Waldboden.
Am Boden, im Gebüsch, in den Bäumen – im Wald gibt es überall etwas zu entdecken.

Wenn man nicht oft die Möglichkeit hat, dem Wald einen Besuch abzustatten: Wie kann man Kindern auch außerhalb des Waldes anschaulich Zusammenhänge näherbringen?

Wenn kein Wald in der Nähe ist, sind Parks eine gute Alternative. Ein Park ist wie ein kleiner Wald. Mit Bäumen und Tieren. Also können Eltern auch hier die Natur mit ihren Kindern erleben. Es bietet sich zum Beispiel an, „Tiere in der Stadt“ zu erklären. Warum flüchten Tiere in die Stadt? Um beim Eichhörnchen zu bleiben: Sie brauchen Eicheln als Nahrung, aber Eichen bilden erst ab ca. 60–80 Jahren Früchte aus und in den Parks stehen eben viele alte Bäume.

Ein echtes Kinder-Erlebnis ist auch, auf dem kleinen Raum mit dem Fernglas auf Erkundungstour zu gehen. Welche Vögel, Tiere, Schmetterlinge sind wo und wann unterwegs? Ihre Beobachtungen können die kleinen Forscherinnen und Forscher in ihr „Försterbuch“ eintragen. Wann welcher Vogel singt, welche Vögel Frühaufsteher sind, in welchen Bäumen und Büschen sie sitzen und so weiter. Hier lässt sich dann auch gut das Thema heimische Pflanzen anbinden, in denen Vögel Nahrung und Unterschlupf finden. Wer einen Garten hat, kann mit den Kindern heimische Sträucher oder Hecken anbauen, um den Tieren zu helfen.

Wie kann man Kindern mithilfe der Waldpädagogik den Wald als schützenswertes Stück Natur vermitteln?

Ich habe die Erfahrung gemacht: Wenn junge Menschen etwas für Tiere tun können und wissen, dass es den Tieren gut geht, dann sind sie glücklich. Und meist kriegt man hier gut den Bogen zu den Lebensräumen der Tiere. Kleine Entdeckerinnen und Entdecker werden zu Naturschützern, wenn sie erkennen, dass mit den Lebensräumen auch die Tiere verschwinden.

Auch das Thema „Klimawandel“ lässt sich kindgerecht aufbereiten. Ich gehe bei meinen Führungen weg vom Begriff „Wald als Klimaschützer“. Stattdessen erkläre ich das Thema an einem konkreten Baum, um den wir uns versammeln. Am besten um eine große, alte Buche herum. Denn diese bindet jeden Tag so viel CO2, wie ein Kleinwagen auf 150 km ausstößt. Das lässt sich wunderbar in den Alltag übertragen: So und so viele Fahrten zur Schule hin und zurück macht diese eine Buche wieder wett. Und sie produziert jede Stunde so viel Sauerstoff, wie 50 Personen zum Atmen brauchen. Jeder einzelne Baum, den die Kinder hier sehen, ist deshalb wertvoll für das Leben auf unserer Erde und schützenswert.

Eine kleine Häuschenschnecke kriecht durch eine Kinderhand.
Auch eine kleine Schnecke verdient Respekt und hat ihren Platz in unserem Ökosystem.

Wenn Kinder einfach öfter eine schöne Zeit im Wald verbringen, trägt das wahrscheinlich schon viel zur Wertschätzung bei?

Ja, das ist richtig. Und letztlich auch das Ziel der Waldpädagogik, die Teil der „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ist. Kinder sollen sich über nachhaltige Erlebnisse im Wald mit der Natur verbinden. Wenn sie auf diese Weise eine Beziehung zum Wald aufbauen, werden die Kinder ihn voraussichtlich auch im späteren Leben als schützenswert erachten. Es gilt der Satz: Nur, was wir Menschen kennen und verstehen, das schätzen und schützen wir.

Wie können sich Kinder für den Wald einsetzen, welchen Input können Eltern hier geben?

Es ist in der Tat wichtig, dass Kinder verstehen, dass sie Teil der Natur sind und etwas zu ihrem Schutz beitragen können. Also viel Selbstwirksamkeit erleben, wenn sie auf den Wald und seine Bewohnerinnen und Bewohner achten. Das können kleine Dinge sein, wie etwa Müll im Wald aufzusammeln, weil der für die Tiere gefährlich sein kann. Oder: Kinder können eine Baumpatenschaft übernehmen und regelmäßig nachschauen, dass es dem Baum gut geht.

Eine tolle Sache für ältere Kinder ist es, einen Baum-Fanclub zu gründen. Gemeinsam mit anderen Kindern können sie sich dort Club-Aktionen für den Wald überlegen. Auf der Wildtierfreund-Website gibt es eine Anleitung, wie man einen Tierclub gründet – da kann man sich viel für den eigenen Baum-Fanclub abschauen. Dazu gehören natürlich schicke Fanclub-Logos und richtige Clubausweise. Damit kann man dann Freundinnen und Freunde sowie die Eltern begeistern und als neue Mitglieder gewinnen. Das ist, finde ich, eine großartige Sache im Sinne von Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit. Die Kinder merken: Ich erreiche etwas mit meinem Handeln, ich werde ernst genommen.

Sie haben erwähnt, dass die Waldpädagogik eine wichtige Rolle in Sachen Nachhaltigkeit spielt. Warum ist es noch von Vorteil, mit einem Waldpädagogen den Wald zu erkunden?

Waldpädagoginnen und -pädagogen haben eine gute pädagogische Ausbildung, sie haben Kenntnisse im Klimaschutz, in Sachen Nachhaltigkeit und natürlich eine große Artenkenntnis. Daher können sie viel erklären und auf Fragen eingehen, auf die Eltern nicht immer eine Antwort finden. In Einrichtungen wie Naturerlebniswäldern arbeiten viele Waldpädagoginnen und -pädagogen mit einem riesigen Fundus an Spielmaterialien, auf die sie zurückgreifen können. Dadurch können sie mit den Kindern spielerisch und erlebnispädagogisch aus dem Vollen schöpfen. Mit tollen Verkleidungen, Bastelmaterialien und einem Spektrum an Möglichkeiten, mit den Kindern kreativ zu werden. Aber auch wenn Sie privat eine Waldtour buchen möchten, sollten Sie immer auf die eine oder andere Überraschung gefasst sein. Und sei es nur eine kleine Eichel, die in ihrer Gemeinschaft zu einer starken Stütze heranwächst. So wie unsere kleinen Kinder auch.

Über unseren Interviewpartner in Sachen Waldpädagogik und die Bedeutung des Waldes für Kinder

Walter Plötz ist staatlich zertifizierter Waldpädagoge und lebt im Sachsenwald bei Hamburg, in Norddeutschlands größtem zusammenhängenden Waldgebiet. Wenn er mit den Kindern im Wald unterwegs ist, gründet er Baum-Fanclubs. Die Namen der Kinder bindet er in kleine Waldgeschichten ein (bei Interesse E-Mail an ploetz@justploetz.de). Walter Plötz ist hauptberuflich Freier Kreativdirektor mit Schwerpunkt auf Naturschutz und Nachhaltigkeit und arbeitet unter anderem als Waldpädagoge im Naturpark Lauenburgische Seen. Die von Walter Plötz mitkonzipierten Anleitungen für Wildtier- und Walderkundungen gibt es hier.

Waldpädagoge Walter Plötz mit seinem Hund.
Die Waldpädagogik ist Fachgebiet von Walter Plötz.

Waldpädagogik: Tipps und Anregungen

 

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